Woran kannst Du erkennen, ob der Hund die Aufgabe (= Zeige mir den Weg, den die Person, von der ich ein Geruchsmuster präsentiert habe, gelaufen ist) verstanden hat? Häufig kommt als Antwort, dass der Hund ja die Zielperson findet.
Die Tatsache, dass der Hund bei der Zielperson ankommt, ist kein ausreichender Beweis, dass der Hund die Aufgabe in unserem Sinne verstanden hat. Also dass er wirklich die Spur von dem Mensch verfolgt, dessen Geruchsmuster wir ihm am Start gegeben haben.
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Alternative Lösungsstrategien
Warum das kein ausreichender Beweis ist? Weil häufig auch andere Lösungsstrategien zu dem gleichen für uns sichtbaren Ergebnis kommen könnten:
- Der Hund verfolgt die frischeste Spur
- Der Hund verfolgt die Spur der ihm in diesem Zusammenhang bekannten Person
- Der Hund verfolgt die Spur von der Person, bei deren Auffinden er bereits häufig mit einem Jackpot belohnt wurde
- Der Hund verfolgt die Spur der fehlenden Person aus der ihm bekannten, immer gleichen Gruppe
- Der Hund verfolgt (sofern auf dem Trail vorhanden) die Spur der Trainer*innen
- Der Hund verfolgt bei Mehrfachtrails (also ein Trail, den mehrere Hunde nacheinander ausarbeiten) an den vor ihm trailenden Teams.
- Der Hund orientiert sich ausschließlich an Verhalten und Ausrichtung an den begleitenden Menschen
Um Herauszufinden, ob der Hund die Aufgabe wirklich über das “match to sample” Prinzip löst, kannst Du die sogenannten Überprüfungsaufgaben durchführen. Diese Aufgaben sind alle so angelegt, dass die oben angegebenen alternativen Strategien an einer Stelle des Trails erkennbar werden.
Überprüfungsaufgaben
Im folgenden stelle ich Dir die Übungsansätze vor, skizziere einen beispielhaften Trailverlauf und erkläre Dir, welche mögliche Strategie des Hundes Du damit ausschließen kannst:
Das Splitting
Beim Splitting werden mehrere Spuren gelegt, die sich an einer Stelle trennen. Dort zeigt sich, wessen Spur der Hund tatsächlich folgt.
Die gelbe Person steht in der Skizze für die Zielperson, die rote für die Verleitperson. Der Hund bekommt für diesen Trail immer einen eindeutigen (kontaminationsfreien) Geruchsartikel der Zielperson.
Hund folgt der frischesten Spur
Die Zielperson (gelb) läuft den Trail wie skizziert. Kurz bevor der Hund an den Start geht, läuft die Verleitperson (rot) ebenfalls den Trail wie skizziert. Die Verleitspur ist also frischer, als die der Zielperson.
Hund folgt der bekannten bzw. positiv verknüpften Person
Die Verleitperson hat im Bezug auf das Mantrailing eine intensive Verstärkungsgeschichte (war erst kürzlich Zielperson, war sehr oft Zielperson für diesen Hund) oder ist eine bei dem Hund beliebte Person (bitte niemals die Bezugsperson als Zielperson einsetzen). Beide Personen laufen gleichzeitig wie skizziert. Beide Spuren sind also gleich frisch, die Spur der Verleitperson hat eine Verstärkungsgeschichte.
Der Hund folgt der Trainer*innen-Spur
Die Verleitperson ist in diesem Fall der/die Trainer*in. Die Zielperson und Trainer*in trennen sich an einem Punkt, die/der Trainer*in geht einen anderen Weg zum Start zurück.
Hund folgt bei einem Mehrfach Trail dem vorangegangenen Team
Um zu überprüfen, ob der Hund bei einem Mehrfachtrail (also wenn zwei Hunde nacheinander den gleichen Trail laufen) nicht einfach dem vorigen Team folgt, ändere die Endposition für den zweiten Hund. Für den zweiten Hund führt das Verfolgen des vorigen Teams also nicht ans Ziel.
Dabei ist sicherzustellen, dass jedes trailende Team seinen eigenen unkontaminierten Geruchsträger der Zielperson bekommt.
Die Zielperson läuft den Trail für den ersten Hund. Das erste Team arbeitet den Trail aus und geht zurück.
Für die Veränderung gibt es z. B. diese beiden Möglichkeiten:
Variante Backtrail:
Die Zielperson geht für den zweiten Hund von Position 1 auf dem Trails zurück, an Position 2 vorbei bis zum neuen Endpunkt, der Position 3 – wie in der Skizze in hellrot eingezeichnet. Je nach lokalen Gegebenheiten, kann das erste Team mit dem Rückweg noch eine zusätzliche frischere Verleitspur legen (siehe blaue Spur in der zweiten Skizze).
Der zweite Hund macht den Trail. Falls der Rückweg vom ersten Team den Trail kreuzt, wie hier in Position 4, muss der zweite Hund hier schon eine Entscheidung treffen, wem er folgt. An Position 2 darf der Hund (in meinem Training) entscheiden, ob der den Backtrail chronologisch ausläuft oder direkt auf die frischeste Spur zur Zielperson in Position 3 abbiegt.
Variante Pool:
Die Zielperson geht für den zweiten Hund von Position 2 weiter zu Position 3. Das erste Team geht diesen Weg NICHT mit. Je nach lokalen Gegebenheiten, kann das erste Team mit dem Rückweg noch eine zusätzliche frischere Verleitspur legen (blau in der Skizze).
Der zweite Hund macht den Trail. Falls der Rückweg vom ersten Team eine frischere Verleitspur legt, muss der Hund an Position 1 bereits eine Entscheidung treffen, ob der dem vor ihm trailenden Hund oder der Zielperson folgt. An Position 2 befindet sich ein Pool der Zielperson (Endposition für den ersten Hund). Dort muss der zweite Hund die frischeste Spur aus dem Pool herausfinden und bis zur Position 3 verfolgen.
Das Hinterfragen
Die Strategie des Hundes, sich an dem Verhalten der anwesenden Personen zu orientieren, wird häufig als Kritik am wissenden Trailen angebracht. Dieser Kritik und der Fragestellung des wissenden Trailens werde ich an dieser Stelle nicht nachgehen. Diesem Thema habe ich in meinem Buch, das im Frühling 2026 erscheinen soll, ein eigenes Kapitel gewidmet.
An dieser Stelle möchte ich lediglich die Übung erklären, bei der ich überprüfen kann, inwieweit sich der Hund in letzter Instanz am Menschen ausrichtet: Das Hinterfragen.
Beim Hinterfragen verhalten sich die Menschen an einem Entscheidungspunkt bewusst widersprüchlich zur korrekten Entscheidung des Hundes:
- Bezugsperson und Trainer*in gehen NICHT mit, obwohl der Hund richtig ist. Bleibt der Hund bei seiner Entscheidung und dreht nicht ab, dann wird er dafür verbal gelobt und die Menschen gehen wieder mit dem Hund mit, oder
- Bezugsperson und Trainer*in gehen BEWUSST mit, obwohl der Hund falsch ist. Sie drücken den Hund. Sobald der Hund sich abdreht und wendet, wird wieder gelobt und dem Hund zurück aufs Geruchsband gefolgt.
Da diese Aufgabe überprüft, ob sich der Hund im Zweifelsfall gegen die Körpersprache seiner Bezugsperson durchsetzt, ist sie mit Bedacht einzusetzen bei:
- sehr unsicheren Hunden
- Hunden, die im Alltag sehr auf die Körpersprache ihres Menschen achten müssen (mit negativen Konsequenzen, wenn sie es nicht tun)
- Hunden, die noch keine gute Verstärkungsgeschichte auf dem Geruchsband hat
- Hunden, die die Aufgabenstellung noch nicht verinnerlicht haben
- Hunden, die noch in der Umlernphase von Trailen über Hochwitterung auf Trailen auf dem Geruchsband sind.
Erst wenn ein Hund das kann, sich also im Zweifelsfall für das Geruchsband und gegen die Körpersprache des Menschen entscheidet, lasse ich das Team auch blind trailen. Denn dann hat der Hund gezeigt, dass er wirklich mit dieser Herausforderung umgehen kann und sie in seinem Sinne lösen kann.
Einen Motivationskonflikt zu provozieren oder den Hund zu verunsichern oder in der Lernphase zu verwirren ist nicht kompatibel mit dem Einsatz als Enrichment.
Wenn der Hund “kippt” und sich an der Körpersprache des Menschen orientiert, dann gehts an die Ursachenforschung.
Warum macht der Hund das?
- Traut er sich nicht, sich gegen seinen Menschen durchzusetzten? Warum traut er sich das nicht?
Dann ist es sinnvoll mit dem Hund so zu trainieren, dass er mutiger und selbstsicherer werden kann. Der Hund braucht Herausforderungen, die er lösen kann und somit zum Erfolg kommt. Was er nicht braucht sind Trainingseinheiten, bei dem wir ihm durch unser Verhalten eine anspruchsvolle Aufgabe noch extra schwer machen. - Oder hat er vielleicht keine oder keine gute Strategie, die Aufgabe zu lösen? Trailen auf dem Geruchsband, also das spurtreue Trailen, ist eine hervorragende Strategie. Die Suche nach der Quelle des Geruches über Hochwitterung ist eine potentiell frustbehaftete Strategie, die deutlich weniger bedürfniserfüllend ist.
Wer bei diesen Aufgaben auf dem Prüfstand steht
Mit allen vorgestellten Überprüfungsaufgaben können wir also feststellen, ob der Hund eine andere Lösungstrategie als das Trailen auf dem Geruchsband nutzt, um an seinen Verstärker zu kommen.
Aber wessen Leistung steht dabei auf dem Prüfstand?
Die des Hundes?
Die der trailenden Bezugsperson?
Zweimal Nein.
Es ist die Leistung der Trainer*innen des Hundes, die auf dem Prüfstand steht. Wir überprüfen, ob der gewählte Trainingsansatz und das durchgeführte Training wirklich zielführend waren, damit der Hund mit der Strategie sucht, die wir im Sinn haben.
Daher dürfen wir unseren Teams, denen wir eine Überprüfungsaufgabe stellen, mal ganz klar den Druck nehmen, denn wenn der Hund nicht den erhofften Lösungsansatz zeigt, dann geht das ganz allein auf unsere Kappe. Der Hund hat alles richtig gemacht, er hat nur einfach eine andere Strategie gefunden, als wir wollten. Und wenn die Bezugsperson es dem Hund bei dem Trail nicht zu schwer gemacht hat, den erhofften Lösungsansatz (den “richtigen”) zu wählen, dann hat auch die Bezugsperson alles richtig gemacht.
Und sollte der Hund bei einer der Überprüfungsaufgaben offenbaren, dass er mit einer alternativen Strategie zum Ziel gekommen ist, dann heißt es im Training wieder einen Schritt zurückzugehen und die nächsten Trailaufgaben so gestalten, dass der Hund noch besser verstehen kann, dass das “match to sample” ans Ziel führt. Kleinschrittig. Mit schnellem Erfolg nach der erwünschten richtigen Entscheidung. Um möglichst wenig Frust beim Hund zu erzeugen, weil seine bisherige Strategie nicht mehr erfolgreich ist.
Der Grund für das gezeigte Verhalten ist ja, dass wir es ihm nicht eindeutig oder lohnend genug vermittelt haben.
Und kurze Randbemerkung: Das Verfolgen einer menschlichen Spur ist nichts, was der Hund von Geburt an mitbringt.
Die erwünschte Lösungsstrategie fördern
Was können wir im Training machen, um Fehlerverknüpfungen des Hundes zu verhindern? Wie können wir es dem Hund also möglichst leicht machen, auch wirklich die Spur der Zielperson zu verfolgen?
- Eine möglichst große Vielzahl an Zielpersonen einsetzen. Daher sind offene Gruppen für Mantrailing wertvoller.
- Von Anfang an mit Verleitspuren arbeiten.
- Bewusst die Trainer*innen Spur immer wieder vom Trail abweichen lassen, auch bereits direkt am Start
- Wenn Mehrfachtrails gemacht werden, dann sehr sorgfältig durchführen:
- Zwingend ein eigener Geruchsträger für jedes trailende Team
- Trailverlauf für die folgenden Hunde variieren
- Anzahl der trailenden Hund gering halten (ich persönlich lasse im normalen Training maximal 2, in Sonderfällen auch mal 3 Hunde den gleichen Trail laufen. Dabei baue ich nach Möglichkeit eine Änderung für jeden Hund ein.
- Den Hund für das Erlernen der Aufgabe angemessen motivieren und ihm den Lösungsansatz (Trailen auf dem Geruchsband) leichtverständlich vermitteln.
- Sorgfältiger Umgang mit dem Geruchsartikel (immer nur von 1 Team benutzen lassen, Kontamination nur bewusst einsetzen)
- Beste Voraussetzung am Start schaffen, damit sich der Hund das Geruchsmuster auch wirklich erfassen und einprägen kann
Fazit
“Was der Hund sucht und wie er es sucht, ist eine Frage des Trainings” (Rudolphina Menzel).
Es ist also unsere Aufgabe als Trainer*innen, dem Hund die Aufgabe möglichst eindeutig und leicht verständlich zu vermitteln. Das Training muss so aufgebaut sein, dass der Hund immer wieder die Erfahrung macht, dass es letztlich ausschließlich das Verfolgen des Geruchsbandes der anfangs als Muster präsentierten Zielperson zum Erfolg führt. Durch geschicktes und weitsichtiges Traillegen und individuell angepasstes Anleiten des Teams können wir dem Hund genau das vermitteln.
Wir können allerdings nicht verhindern, dass der Hund sich zusätzlich noch anderer Strategien bedient, ich halte das sogar für eine clevere und energiesparende Lösung. Wichtig ist aber: Sobald er aber im Verlauf des Trails an einen Punkt kommt, an dem er sich für eine dieser Strategien bzw. Spuren entscheiden muss, dann sollte es immer der Trail der Zielperson sein, deren Geruchsmuster wir ihm am Start präsentiert haben.
Und wenn der Hund genau das aber nicht macht, dann liegt das am Training und ist kein Fehler des Hundes.