Der Umgang mit dem Mensch im Hundetraining

Geschätzte Lesedauer: 4 Minuten

… diese bzw. ähnliche Sätze kamen inzwischen mehrfach als Feedback meiner Mantrailing Seminare. Ich freue mich sehr darüber und gleichzeitig macht mich diese Aussage sehr betroffen.

Betroffen, dass es als etwas Besonderes hervorgehoben wird, dass eine Hundetrainer*in auch nett zu Menschen ist.

Ich persönlich habe Hundetraining als Kundin leider anfangs auch anders erlebt: Bloßgestellt, gedemütigt, als negatives Beispiel präsentiert, weil mein Hund zu jenem Zeitpunkt unangenehm aufgefallen ist. Ich stand auch schon heulend auf dem Hundeplatz, völlig verzweifelt.

Ich habe mir das viel zu lang gefallen lassen. Das waren ja – im Gegensatz zu mir damals – die Profis: Die machen das schon richtig, so mein Gedanke. Obwohl mein Bauch von Anfang an kein gutes Gefühl signalisierte, habe ich das als „normal“ hingenommen.

Heute weiß ich, dass ich da schon viel früher die Reißleine hätte ziehen müssen und das Training dort beenden sollen.

Die Menschen, deren Hunde im Alltag besondere Bedürfnisse haben, liegen mir aufgrund meiner eigenen schlechten Erfahrungen ganz besonders am Herzen.

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Ich sag ja immer, Mantrailing Kund*innen sind die treuesten und begeistertsten Kund*innen überhaupt und eine gute Trainingsatmosphäre stellt sich fast immer von ganz allein ein und es ist ausgesprochen leicht, warmherzig und freundlich mit den Menschen umzugehen.

Als ich Trainerin wurde, war mir von Beginn an sehr wichtig, dass die Menschen einen freundlichen, bedürfnisorientierten Umgang mit ihren Hunden pflegen und dass das Training in einer netten Atmosphäre stattfindet. Das ist ein wichtiger Grundstein, aber nicht der einzige.

Und wenn Kund*innen nicht nett mit ihren Hunden umgehen?

Menschen, die nicht nett mit ihren Hunden umgingen, habe ich zu Beginn meiner Arbeit als Trainerin sehr klar damit konfrontiert und leider ausgegrenzt. Heute mache ich das anders. Es war eine Äußerung von Chirag Patel, die mich zum Umdenken brachte. Er legte uns Trainer*innen ans Herz, genauso nett mit diesen Menschen umzugehen und ihnen so die Chance zu geben, es anders zu lernen.

Denn meistens gehen Menschen mit ihren Hunden nicht bewusst schlecht um. Entweder  wissen sie es nicht besser, wissen sicht nicht mehr anders zu helfen und/oder haben es sogar so gelernt.

Also mal gedanklich davon Abstand nehmen, dass dieser Mensch seinem Hund wissentlich oder gar absichtlich schadet.

Diese Menschen und damit auch ihre Hunde profitieren ganz besonders von einem wohlwollenden Umgangston, denn so haben wir die Chance, ihnen kleinschrittig unsere Trainingsphilosophie nahezubringen.  Kleinschrittig und positiv – so wie wir mit Hunden ja auch umgehen.

Der Schlüssel zur Veränderung im Leben des Hundes ist sein Mensch

Die Lebensqualität des Hundes zu verbessern, geht nie ohne die Mitwirkung seines Menschen.

Wenn ich also wertschätzend und nichts Böses unterstellend an den Menschen herantrete, habe ich eine viel größere Chance, dass er etwas von mir lernen und ich so das Leben dieses Teams verbessern kann.

Ich sehe es als meine Aufgabe, einen Trainingsweg für die Menschen zu finden, den sie mit ihrem Hund auch gehen können. Und auch wenn der anfänglich nicht komplett meinen Werten im Umgang mit Hunden entspricht, so nutze ich die Chance, verändernd einzuwirken. Kleinschrittig und freundlich.

Und ja, es gibt für mich auch absolute No-Gos im Umgang mit dem Hund. Und ja – über diese kläre ich die Menschen unmittelbar und in aller Deutlichkeit auf, warum es für mich ein No-Go ist. Und ja,  ich gebe den Menschen die Chance, ihr Verhalten oder Einstellung zu ändern. In dem Tempo und in den Schritten, wie es ihnen möglich ist. Jeder Schritt weg vom aversiven Training ist ein guter Schritt, dem ein nächster guter Schritt folgen kann und ein weiterer und so weiter und so fort …

Damit ist der Hund langfristig deutlich besser dran, als wenn ich den Menschen vor den Kopf stoße und ich oder sie das Training abbrechen.

 

 

Mantrailing als Enrichment erfasst auch den Menschen

Es geht in meinem Mantrailing Training nicht  nur darum, die im Alltag zu kurz kommenden Bedürfnisse des Hundes zu erfüllen, sondern auch um die Bedürfnisse des Menschen!

Verbundenheit und Wachstum

Verbundenheit und Wachstum sind nach Gerald Hüther elementare Grundbedürfnisse des Menschen.

Diese beiden Grundbedürfnisse können durch Mantrailing erfüllt werden.

  • Verbundenheit mit seinem Hund
  • Verbundenheit mit anderen Hundemenschen
  • Wachstum als Team mit dem Hund
  • Wachstum durch neue Fähig- und Fertigkeiten durchs Trailen

 

Gerade die Menschen, deren Hunde viel Abstand zu anderen Hunden brauchen bzw. in der Gesellschaft „auffällig sind“, haben oft aus mehreren Gründen sehr wenig Kontakt zu anderen Hundemenschen und fühlen sich allein.

Da die Rahmenbedingungen des Trainings auch diesen Menschen eine Teilnahme mit ihrem Hund ermöglichen, können sie sich in der Gruppe mit Gleichgesinnten austauschen.

Eine gute Trainingsatmosphäre, für die ich als Trainerin verantwortlich bin, ist eine zwingende Voraussetzung für die Erfüllung dieser Bedürfnisse und damit mein Trainingsziel zu ermöglichen.

Wir brauchen Gemeinschaften, deren Mitglieder einander einladen, ermutigen und inspirieren, über sich hinauszuwachsen.

Die eigenen Grenzen (er)kennen

Auch wenn Mantrailing Kund*innen die treuesten und begeistertsten Kund*innen überhaupt sind und sich eine gute Trainingsatmosphäre fast immer von ganz allein einstellt, ist es notwendig, die eigenen Grenzen zu kennen, um langfristig und ehrlich warmherzig und freundlich zu sein.

Ich habe in den Jahren gelernt, meine persönlichen Grenzen und Werte zu erkennen und deren Überschreitung wahrzunehmen. Das war der Schritt vom „ich bin genervt“ zum „dieses konkrete Verhalten von Person X überschreitet jene Grenze von mir“. Denn damit sind konkrete Lösungsansätze möglich.

Kommt Dir dieser Ansatz irgendwie bekannt vor? Ja? Dann lass es mich gerne wissen!

2 Responses

  1. Liebe Astrid, du sprichst mir aus der Seele! Ich darf/durfte ähnliche Sätze auch erleben.
    Vielleicht würde der eine oder andere sagen: „du bist ja auch Sozialarbeiterin“. Ja vieleicht macht es etwas aus. Aber auch ich habe immer versucht meinen Kolleg*innen klar zu machen, dass z.B. auch Jäger es oft nicht besser wissen und mit ihren Hunden nicht so nett umgehen wie wir es gern hätten. Ich muss erst mit dem Menschen in Kontakt kommen um etwas zu verändern oder den Menschen auch nur aufmerksam machen…dann hab ich meist ; ) zumindest zum nachdenken angeregt. Eine Chance hat jeder verdient. Nur so können wir etwas bewegen indem wir auch „kleinschrittig“ mit dem Menschen arbeiten! Der Weg geht nur über den Menschen an seinen Hund.
    Liebe Grüße aus Peine! Yasmin

    1. Liebe Yasmin,
      Vielen Dank für Dein anschauliches Beispiel! Und ich sehe es genau wie Du: Der Weg zum Hund geht nur über seinen Menschen!
      Liebe Grüße aus Ampfing
      Astrid

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