Warum „Lass das! Nein! Arbeite!!!“ nicht zielführend ist
Was soll ich denn machen, wenn mein Hund
- Menschen anspringt? …an der Leine zerrt? …bei der Türklingel ausflippt?
- beim Mantrailing am Start rumzappelt?
- auf dem Trail immer wieder privat schnüffelt?
Diese Fragen haben alle eines gemeinsam – sie fragen nach einer Lösung, nachdem der Hund das unerwünschte Verhalten bereits gezeigt und damit auch geübt hat. Nach dem Motto: „Was kann ich machen, wenn mein Kind schon wieder in den Brunnen gefallen ist?“
Mit dem Brunnen-Beispiel wird eigentlich schnell klar, wie die Frage heißen muss: „Wie kann ich verhindern, dass mein Kind in den Brunnen fällt?“
Nun, dazu ist es erstmal wichtig herauszufinden, warum bzw. wie das Kind denn überhaupt in den Brunnen fällt. Und bis das geklärt und eine Lösung gefunden ist, kommt ein sicher schützender Zaun um den Brunnen.
Grenzen setzen
Im Hundetraining wird sehr schnell und viel davon gesprochen, Grenzen zu setzen. Oft wird darunter nur verstanden, eine Lösung zu finden, wie der Mensch möglicht schnell und erfolgreich das unerwünschte Verhalten sofort beenden kann. Lass das! Nein! Arbeite!!!
Dabei wird häufig übergangen, dass es viel erfolgsversprechender und fair dem Hund gegenüber ist, schon viel früher anzusetzen:
- Warum tut der Hund überhaupt, was er nicht tun soll?
- Wie kann ich dem Hund helfen, dass er das unerwünschte Verhalten gar nicht mehr zeigen „muss“?
- Wie kann ich fair und sinnvoll verhindern, dass der Hund das unerwünschte Verhalten immer wieder ausübt und damit auch übt und festigt?
Schauen wir uns diese 3 Fragen mal der Reihe nach näher an.
Warum tut der Hund das überhaupt?
Die Antwort lautet nie „Weil er Dich ärgern will“ sondern immer: „Das kommt drauf an…“
Bleiben wir mal beim nicht so seltenen Beispiel „Fremdschnuppern“ („Privatisieren“): Da gibt es nicht den einen Grund – sondern viele verschiedene und häufig auch eine Mischung davon…
Mögliche Ursachen können sein:
- Der Hund findet diese anderen Gerüche spannender als den Trail
- weil er Mantrailing generell nicht (mehr) lohnenswert findet
- aus Unterforderung, weil die Aufgabenstellung zu leicht ist
- Der Hund hat im Laufe seiner Ausbildung nie erfahren, dass das nicht zu seiner Aufgabe gehört
- Es handelt sich um deeskalierendes Verhalten gegenüber einem anwesenden Artgenossen
- Es handelt sich um Übersprungsverhalten aus einer Überforderung heraus
- weil der Hund seine Aufgabe gar nicht klar verstanden hat
- weil die zu lösende Trail-Aufgabe noch oder aktuell zu schwer ist
- weil die Umgebung generell oder durch einen bestimmten Umweltreiz zu anspruchsvoll ist
- weil etwas auf oder entlang des Trail ist, wofür der Hund erst etwas mehr Zeit braucht, um das einzuordnen bzw. wartet, bis es weg ist.
Durch eine geschickte Aufgabenstellung und eine gute Beobachtungsgabe auch der Umwelt gegenüber lässt sich das jedoch gut herausfinden. Denn wenn der Hund unmittelbar nach Verschwinden von Menschen oder Hunden auf dem Trail sofort wieder mit seinem Job weitermacht, dann liegt es sehr nache, dass das Schnuppern seine Strategie ist, diese Herausforderung zu lösen. Und was machen wir dann mit dem Wissen? An dieser Stelle wird schon sehr schnell klar, dass es nicht „die Lösung“ fürs Fremdschnuppern gibt.
Genauso klar ist an dieser Stelle auch, dass pauschal mehr Druck auf den Hund auszuüben oder den Trail abzubrechen keine gute Lösung ist. Schlimmstenfalls sogar das zugrundeliegende Problem noch vergrößert. Nehmen wir wieder das obige Beispiel – das Fremdschnuppern auf dem Trail. Gehen wir die möglichen Gründe mal durch.
Wie kann ich dem Hund helfen, das unerwünschte Verhalten nicht mehr zu zeigen?
So unterschiedlich die Gründe sind, so unterschiedlich sind die Lösungsansätze:
Der Hund privatisiert aus Langeweile oder mangelnder Freude am Trailen
Dann gilt es die Motivation zu erhöhen, in dem man z.B. den Jackpot aufwertet, den Schwierigkeitsgrad des Trails verändert, in Sequenzen arbeitet, einen extra Motivationstrail macht, eine andere Umgebung wählt, das Tempo verändert…. – oder auch mal ehrlich hinterfragt, ob der Hund grundsätzlich Freude an dieser Aufgabe hat. Es ist gar nicht so selten, dass Hunde die Freude am Mantrailing verlieren, weil die Rahmenbedingungen im Training nicht passen oder die Steigerung der Schwierigkeiten zu schnell erfolgt ist.
Es gibt jedoch auch hin und wieder mal Hunde, die erst ab einem gewissen Schwierigkeitslevel mit voller Konzentration dabei sind und bei „zu wenig anspruchsvollen Trails“ dann eben noch nebenher einer anderen Beschäftigung nachgehen.
Der Hund hat gar nicht gelernt, dass das nicht zum Arbeitsauftrag gehört
Wenn bei der Ausbidlung des Hundes versäumt wurde, ihm das erwünschte Verhalten genau zu vermitteln, dann kann es passieren, dass sich der Hund das Fremdschnuppern einfach angewöhnt. Insbesondere wenn dieses Verhalten als solches im Training gar nicht erkannt, vielleicht sogar mit Trailverhalten verwechselt wird.
In diesen Fällen gehe ich dann im Training ein paar Schritte zurück und coache das Team auf dem Trail dann sehr eng. Es ist durchaus noch nachträglich möglich, dem Hund genauer zu vermitteln, was denn sein eigentlicher Job beim Trailen ist. Meistens nehmen die Hunde das sehr gut an. Im Training wird dann erwünschtes Verhalten leicht gemacht, bestätigt und gestärkt. Je stärker jedoch bei diesen Hunden das Privatisieren schon etabliert ist, desto aufwändiger wird es, den Hund davon wieder abzubringen. Ich bevorzuge immer den Weg über die Erhöhung der Motivation.
Der Hund zeigt Fremdschnuppern als Übersprungsverhalten aufgrund Überforderung
Wenn klar ist, dass der Hund seine Aufgabe beim Mantrailing grundsätzlich verstanden hat, ist vielleicht die konkrete Situation zu schwer für den Hund. Hier kommt dann der zweiter Teampartner ins Spiel, wir lassen den Hund nicht hängen auf dem Trail! Wenn der Hund an Ort und Stelle keine Entscheidung über den Trailverlauf treffen kann, dann helfen wir ihm, indem wir ihn an eine Stelle bringen, an der der Hund wieder eine Entscheidung treffen kann. Teamwork eben.
Manchmal können auch akut auftretende Umweltreize den Hund überfordern – z.B. entgegenkommende bedrohlich empfundene Menschen. Schlimmstenfalls verlässt der Hund dann sogar den Trail oder unterbricht die Aufgabe. Häufig trailen die Hunde dann einfach weiter, sobald sich die Situation gelöst hat. Wenn die bedrohliche Situation jedoch in absehbarer Zeit nicht vorbei sein wird, gibt es verschiedene Möglichkeiten, den Trail noch positiv für den Hund abzuschließen. Ich lasse z.B. die Zielperson den Trail so verkürzen, dass der Hund die Aufgabe nach einer kurzen Unterbruchung dann erfolgreich beenden kann – Dank eingesetzter Funkgeräte sehr leicht umsetzbar. Oder ich lasse das Team die Aufgabe unterbrechen, wir umgehen die Bedrohung und bringen den Hund dann wieder auf den Verlauf des Trails. Dort setzt das Team dann den Trail fort. Daher ist es immer sinnvoll, mit den Teams auch eine Unterbrechung des Trails zu trainieren.
Liegt die Überforderung an einer generell für diesen Hund zu anspruchsvollen Umgebung, gehe ich in diesem Training dann im Schwierigkeitsgrad des Trails herunter bis hin zum kurzen Motivationstrail oder Arbeit in kurzen Sequenzen.
Wenn nicht sichergestellt ist, dass der Hund die Aufgabe wirklich verstanden hat, teste ich das mit entsprechender Aufgabenstellung – und kann dann in der Ausbildung wieder ganz zurück zu den Basics gehen, um die eigentliche Aufgabenstellung zu festigen. Wenn Du mehr dazu erfahren möchtest, wie ich überprüfe, ob der Hund die Aufgabenstellung wirklich verstanden hat, empfehle ich Dir meinen Workshop „Die Sache mit dem Geruchsartikel“ – da gehe ich ausführlich darauf ein.
Der Hund zeigt Fremdschnuppern im Kontext eines anderes Hundes auf dem Trail
Da ich Mantrailing als Enrichment – also als Bereicherung des Lebens für Hund und Mensch – durchführe, dürfen Hunde bei mir im Training selbstverständlich deeskalierendes Verhalten im Kontext mit Artgenossen zeigen. Gerade bei Hunden, die mit Hundebegegnungen ein Thema haben, ist das ja ein Verhalten, das wir gezielt fördern. Daher dürfen sie es in meinem Training auch auf dem Trail machen, sie dürfen höflich bleiben. Das gleiche gilt auch für Menschen auf dem Trail – auch da brauchen manche Hunde etwas mehr Zeit.
Von einem Einsatzhund wird jedoch in der Regel erwartet, dass seine mentale Stärke so ausgeprägt ist, dass er während des Jobs auch andere Hunde ausblenden kann und damit gut klarkommt. Das Wunderbare am Mantrailing ist ja, dass wir genau das, die mentale Stärke im Training Schritt für Schritt gezielt stärken können. Davon profitieren natürlich alle Hunde, auch wenn sie gar nicht in Einsätze gehen sollen.
Wie kann ich fair und sinnvoll verhindern, dass der Hund das unerwünschte Verhalten (aus)übt?
Die Zauberworte heißen Vorbeugen und Management. Wieder an unserem Beispiel vom Fremdschnuppern heißt das:
Das effektivste Vorgehen ist die Wahl eines sinnvollen Ausbildungsweges. Mensch und Hund sollen die an sie gestellte Aufgabe sicher verstehen und auch ausführen können (mental und physisch). Das geht nicht mit einem festen Schema oder einer starren, nicht angepassten Struktur. (Wobei ich ja ein absoluter Fan von Struktur bin: Allerdings nur von einer Struktur die förderlich für das Team ist und kein übergestülpter Selbstzweck). Ein guter Aufbau des Trainings, nämlich Basics – Basics und sagte ich schon – Basics sorgen dafür, bei Mensch und Hund Freude an der Aufgabe zu wecken, die genaue Aufgabenstellung auch dem Hund verständlich zu vermitteln, so dass das Team hoch motiviert (der Hund dabei noch fokussiert) trailt.
Der Trainingsort kann passend zum jeweiligen Ausbildungsstand des Hundes gewählt werden, so kann insbesondere die Überforderung durch eine unpassende Location verhindert werden. Das ist auch einer der Gründe, warum ich nicht in festen Gruppen traile. Meine Teilnehmer*innen haben die freie Wahl, zu welchem Training sie sich anmelden. So können eben auch die Trainingsorte ein Kriterium sein, nachdem entschieden wird. Da kann der Ehrgeiz des Zweibeiners schon mal zurückstecken müssen.
Der Schwierigkeitsgrad des Trails wird an die tagesaktuelle Form des Teams angepasst. Das beginnt bei der Wahl des Geruchsträgers, der Länge des Trails und hängt insbesondere vom Verlauf des Trails ab.
„Es ist die Qualität des Trails, die zählt. Nicht die Quantität.“ – sagt Peter Keller von sam-dogs absolut treffend. Da liegt es in meiner Verantwortung als Trainerin, für die Teams die passenden Trails zu legen: Fördern – nicht überfordern.
Fazit
Wenn wir beim Beispiel des Fremdschnupperns bleiben, so kannst Du jetzt nachvollziehen, warum das Grenzen setzen über „LASS DAS! ARBEITE!“ schlimmstenfalls sogar das Gegenteil bewirken kann.
Die Lösung liegt darin, zu ergründen, warum Dein Hund dieses Verhalten überhaupt zeigt. Mit Deiner Trainer*in zusammen kannst Du den Grund herausfinden, um dann gezielt durch Anpassung des Trainings zu erreichen, dass Dein Hund mit Freude den Trail macht und aus eigenem Antrieb gar nicht mehr fremdschnuppern „muß“. Hier gilt jedoch häufig, dass es deutlich aufwendiger ist, ein einmal eingeschlichenes unerwünschtes Verhalten auszubügeln, als es gar nicht erst einschleichen zu lassen.
Meine Trainingsphilosophie, der INNsider Spirit sorgt von Anfang an dafür, dass Du und Dein Hund Mantrailing mit Freude und Fairness erlernen und langfristig ausüben könnt. In Eurem Tempo, mit der zu Euch passenden Struktur, so dass Ihr gemeinsam als Team nicht überfordert, sondern gefördert werdet.
Du & Dein Hund – findet Euren Weg!
2 Antworten
Hallo Frau Sperlich, ich bin ganz begeistert über Ihre Seiten ! Ich selber bin Anfänger beim Mantrail,und bin beim Rettungshundesport ! Möchte natürlich dazu lernen ! Haben Sie selber Bücher zum Verkauf? Über eine Antwort würde ich mich freuen.
Liebe Grüsse Fiesel
Hallo Melinda, 🥰 vielen Dank für Ihr Kompliment für meine Seiten. Ein Buch habe ich nicht, biete jedoch Online Fortbildungen im Bereich Mantrailing an. HIER finden Sie meine Online Angebote. Ihnen weiterhin viel Freude bei dieser wunderbaren Teamarbeit mit Hund.
Astrid Sperlich